Spaziergänge durch Kassel

Mitte

Länge / Dauer: ca. 3 km / 40 Min. (ohne Besuch der Ausstellungsorte)

Kurzbeschreibung

Der Spaziergang führt durch Kassels Mitte, die geprägt ist von historischen Gebäuden, großen und kleineren Kultureinrichtungen, Geschäften und Einkaufsgalerien sowie der ausgedehnten Parklandschaft der Karlsaue. Nach den schweren Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs ist das Bild von Kassels Innenstadt vielfach geprägt vom Wiederaufbau in den 1950er und 1960er Jahren.

Barrierefreiheit

Der Spaziergang ist teilweise rollstuhlgeeignet: Die Unterführung Frankfurter Straße/Fünffensterstraße hat eine ca. 12% Steigung, Im Hotel Hessenland kein ebenerdiger Zugang in alle Räumlichkeiten, Perle Bar ist teilweise rollstuhlgerecht

Route Kartenansicht
Start: Fridericianum, Friedrichsplatz 18, 34117 Kassel
Anfahrt: Tram 1, 3, 4, 5, 6, 8,  RT1, 4 und 5 bis Haltestelle „Friedrichsplatz“

documenta fifteen: Mitte Spaziergang, Kassel, 2022 © documenta fifteen

Route

Station 1: Fridericianum

Das Foto zeigt die weiße klassizistische Fassade des Fridericianums, dahinter blauer Himmel. Die Front des Gebäudes ist durch einen von sechs ionischen Säulen getragenen Portikus geprägt.

Fridericianum, Außenansicht, Kassel, 2022, Foto: Nicolas Wefers

Das Fridericianum ist eng verflochten mit der Entwicklung der europäischen Idee des Museums, mit Repräsentation und Aufklärung. Es wurde 1779 eröffnet, um die landgräflichen Sammlungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Damals begann die Überführung fürstlicher Sammlungen in öffentlichen Besitz; das Bürgertum nahm sich der Kunst als Medium der Reflexion, aber auch der Repräsentation und der Deutungshoheit an. Diverse Umbauten und Nutzungen folgten. Erst in der Nachkriegszeit wurde daraus ein reiner Ausstellungsort. Die erste Ausgabe der documenta im Jahr 1955 beschränkte sich noch ganz auf das Museum Fridericianum. Seitdem stand der Bau immer wieder im Mittelpunkt der Ausstellungsreihe, da hier häufig der Kerngedanke der jeweiligen Ausgabe exemplarisch formuliert wurde.

ruangrupa und die Künstler*innen, die das Fridericianum besetzen, sehen das Gebäude als lumbung. lumbung ist eine Praxis des Teilens, aber auch eine Form der Architektur, ein Gebäude, in dem normalerweise die Ernte gelagert wird. Außerdem ist es Wohnraum und Treffpunkt für alle.

Dan Perjovschis Arbeit auf den Säulen des Fridericianum führt in die zentralen Themen der documenta fifteen ein. Jede Säule des Portikus repräsentiert einen der lumbung-Werte, wie Großzügigkeit, lokale Verankerung, Unabhängigkeit oder Humor. Durch ihre Machart kündigt sie schon an, was im Inneren passiert. Die schwarzen Säulen mit weißen Zeichen wirken wie eine Kreidetafel und erinnern an assoziatives Arbeiten in der Schule oder in Workshops.

Das ehemalige Ausstellungsgebäude wird zur Fridskul: Fridericianum als Schule. Die Künstler*innen und Kollektive präsentieren unter diesem Titel die verschiedenen Möglichkeiten und Modelle einer horizontal ausgerichteten Bildung. Dazu treffen sich die Kollektive in regelmäßigen Abständen und entscheiden gemeinsam über die Nutzung der Rotunde, die auch als Fridskul-Bibliothek dient. Gastgeber*in für das engagierte Programm der Fridskul ist lumbung member Gudskul, zu dessen Gründungsmitgliedern ruangrupa gehört.

Zudem befindet sich dort RURUKIDS, eine 2010 von ruangrupa gegründete Initiative, die die Arbeit von Künstler*innen mit Kindern und Jugendlichen ermöglicht.

Ausstellende lumbung-Künstler*innen:
Servicepunkte: Toilette, Wickeltisch, Barrierefreie Toilette, Barrierefreier Waschraum

Station 2: Friedrichsplatz

Das Foto zeigt den Friedrichsplatz und seine Umgebung von oben. Man sieht Grünflächen, Wege, das Staatstheater, das Fridericianum, Bäume, ein paar Menschen und die Stadt, sowie kleine Hügel als Silhouette am Horizont.

Friedrichsplatz, Kassel, 2022, Foto: Nicolas Wefers

Direkt vor dem Fridericianum befindet sich der Friedrichsplatz. Der im 18. Jahrhundert angelegte und nach Landgraf Friedrich II. benannte Platz ist ein Ort verdichteter Geschichte. Er ist bis heute einer der größten innerstädtischen Plätze Deutschlands, in dem der monumentale Pomp der wilhelminischen Zeit genauso eingeschrieben ist wie die Aufmärsche der Nazi-Zeit und die Zerstörung und der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg.

Ausstellende lumbung-Künstler*innen:
Servicepunkte: Gastronomie, Garderobe, Toilette, Wickeltisch, Fundbüro, Treffpunkt für Ausstellungsrundgänge, barrierefreie Toilette, Food Markt, Leihfahrräder
Food Markt: Am Rande des Friedrichsplatz befindet sich der Food Markt der documenta fifteen mit einem großen Angebot an vegetarischen und veganen Speisen. Das gastronomische Angebot basiert biologisch zertifizierten Lebensmitteln und Getränken aus der Region.
Route: Vom Friedrichsplatz aus geht es über den großen zweispurigen Steinweg in Richtung Naturkundemuseum im Ottoneum und documenta Halle, die ca. 1 Minute fußläufig vom Fridericianum entfernt und neben dem Staatstheater Kassel liegen.

Station 3: Naturkundemuseum im Ottoneum

Das Foto zeigt die Fassade des Ottoneums. Das mehrstöckige Gebäude besteht aus vielen Fenstern mit Rundbogen. Vor dem Gebäude ist ein kleiner Garten.

Naturkundemuseum im Ottoneum, Außenansicht, Kassel, 2022, Foto: Nicolas Wefers

Auf dem Rundgang durch das Naturkundemuseum im Ottoneum kommt man dem menschlichen Naturverständnis auf die Schliche und sieht einige stadtbekannte Exponate wie den sogenannten „Goethe-Elefanten“. Dieser lebte tatsächlich zur Goethezeit in der Menagerie des Landgrafen in der Karlsaue und starb durch einen unglücklichen Sturz; schließlich erforschte der Dichter seinen Schädel. Das Ottoneum selbst ist noch älter, war Anfang des 17. Jahrhunderts das erste dauerhafte Theatergebäude Deutschlands. Heute dient es mit seinem Museum auch als Plattform für Diskussionen über den Schutz und Erhalt der Umwelt.

Ausstellende lumbung-Künstler*innen:

Station 4: documenta Halle

Das Foto zeigt die documenta Halle mit ihrer großen Glasfront, den Stahlträgern und einem Flachdach. Vor der Eingangsdrehtür hängt ein großes grünes Banner mit dem Schriftzug "documenta fifteen".

documenta Halle, Kassel, 2022, Foto: Nicolas Wefers

Flachdach, Stahlträger und Glasfront: Die documenta Halle der Architekten Jourdan & Müller ist typisch für einen nüchternen Architekturstil der 1990er Jahre. 1992 wurde sie als erstes eigenes Ausstellungsgebäude für die von Jan Hoet kuratierte DOCUMENTA IX in postmodern-konstruktivistischer Architektur errichtet, konzipiert als eine Art „Brücke“ vom Staatstheater zur Karlsaue. Im Programm der documenta fifteen stellt sie eher eine Ausnahme dar – große, leere Räume mit weißen Wänden, die im Sinne der europäischen Museumstradition für den Zweck der Präsentation statischer Kunstwerke errichtet wurden, finden die Besucher*innen sonst eher selten.

Ausstellende lumbung-Künstler*innen:
Servicepunkte: Gastronomie, Garderobe, Toilette, lumbung Press, Treffpunkt für Ausstellungsrundgänge, Barrierefreie Toilette
Route: Von der documenta Halle geht es weiter zur Unterführung in der Frankfurter Straße/Fünffensterstraße. Ein barrierefreier Fußgängerweg sowie eine Treppe führen hinauf zur Straße „Schönen Aussicht“, die sich rechts neben der documenta Halle und dem Kunstwerk Rahmenbau von Haus-Ruck-Co (documenta 6) befindet. Vorbei an der Neuen Galerie laufen Sie etwa 12 Min. geradeaus und biegen am Straßenende nach rechts bis zur Frankfurter Straße, auf der sich rechter Hand der Eingang zur Unterführung befindet.

Station 5: Frankfurter Straße/Fünffensterstraße (Unterführung)

Auf dem Foto ist der Tunnel einer Unterführung zu sehen. Rechts und links eine Wand mit weißen und grünen Kacheln im 50er Jahre-Stil, oben an der Decke helles Neonlicht, der Boden grauer Beton, die hintere Wand in knalligem Kobaltblau.

Frankfurter Straße/Fünffensterstraße (Unterführung), Kassel, 2022, Foto: Nicolas Wefers

Typisch für die Nachkriegszeit: Um mehr Platz für das Auto zu schaffen, wurden ab den 1950er Jahren Fußgänger*innen in den Untergrund verbannt. Die Unterführung an der Einmündung der Fünffensterstraße in die Frankfurter Straße ist ein gutes Beispiel für die fehlgeleitete Stadtplanung dieser Zeit. Dabei entstand eine Tristesse, die auch durch die bunten Fliesen nicht schöner wird, aber immerhin bietet der nachts beleuchtete Tunnel Sicherheit im Straßenverkehr.

Ausstellende lumbung-Künstler*innen:
Barrierefreiheit: Die Unterführung ist teilweise barrierefrei: 12% Steigung der Rampe
Tipp: Zu Kaffeespezialitäten und Kuchen finden Sie im Garten der Perle Bar im Hugenottenhaus eine Möglichkeit, sich zu erholen. Etwa 5 Min. von der Unterführung entfernt, befindet sich die Bar in der Friedrichsstraße 25, 34117 Kassel.
Route: Gehen Sie wieder zurück in Richtung Frankfurter Str. und biegen Sie nach 80 m rechts in die Obere Karlsstraße ein, dann links in die Weinbergstraße bis zur Grimmwelt Kassel.

Station 6: Grimmwelt Kassel

Das Foto zeigt den modernen Bau der Grimmwelt aus der Vogelperspektive. Auf dem Dach das Gebäudes, welches durch breite Treppen erreichbar ist, befinden sich viele Menschen. Um das Gebäude viele Bäume und am Horizont die Skyline von Kassel.

Grimmwelt Kassel, Außenansicht, Kassel, Foto: Y-Site

Die Grimmwelt Kassel ist ein vielschichtiger Ort, an dem wie in deutschen Volksmärchen Schönes und Schreckliches nah beieinander liegen. Ganz ungebrochen kann man die Sprachwissenschaftler und Volkskundler Jacob und Wilhelm Grimm heute eigentlich nicht mehr würdigen, weil sich insbesondere in ihren Tagebüchern und Briefen antisemitische Aussagen finden. Ambivalente Gefühle löst auch der Standort aus: Das 2015 eröffnete Haus steht auf dem innerstädtischen Weinberg, auf den Ruinen der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Henschel-Villa. Das Unternehmen Henschel & Sohn baute in beiden Weltkriegen Lokomotiven und Rüstungsgüter, war ein wichtiger Lieferant für das NS-Regime.

Die Grimmwelt Kassel versteht sich explizit nicht als Museum, sondern als Ausstellungshaus oder begehbare Skulptur. Die Besucher*innen können sich in ihm verirren wie im Labyrinth der deutschen Sprache, das Jacob und Wilhelm Grimm mit ihrem Wörterbuch leichter „begehbar machen“ wollten.

Ausstellende lumbung-Künstler*innen:
Servicepunkte: Gastronomie, Garderobe, Toilette, barrierefreies WC, Wickelraum, Treffpunkt für Ausstellungsrundgänge
Route: 100 m links neben der Grimmwelt Kassel befindet sich das Museum für Sepulkralkultur.

Station 7: Museum für Sepulkralkultur

Das Foto zeigt das Gebäude des Museums für Sepulkralkultur von hinten. Links sieht man ein Gebäude aus gelbem Backstein und rechts ein Betongebäude. Davor wachsen Büsche.

Museum für Sepulkralkultur, Kassel, 2022, Foto: Nicolas Wefers

Kassel hat mit dem Museum für Sepulkralkultur ein ungewöhnliches Haus, das sich mit der Kultur des Sterbens, Trauerns, Gedenkens und der Bestattung auseinandersetzt. Die Dauerausstellung zeigt Zeugnisse der Sepulkralkultur vor allem aus dem deutschsprachigen Raum vom Mittelalter bis heute. Wie beim Betreten einer Gruft begegnen den Besucher*innen im Untergeschoss Särge, Leichenwagen, Trauerkleidung, Trauerschmuck, Grabsteine und Grabskulpturen.

Ausstellende lumbung-Künstler*innen:
Servicepunkte: barrierefreies WC, Wickelraum, Toilette
Route: Gehen Sie auf der linken Seite der Weinbergstraße zurück und laufen quer durch den Fürstengarten in Richtung Innenstadt (nordöstlich). Über die Straße biegen Sie links in die Weinbergsstraße und laufen bis Wilhelmshöher Allee. Dort biegen Sie links ab, an der nächste Ecke befindet sich das Hotel Hessenland.

Station 8: Hotel Hessenland

Auf dem Foto ist das Hotel Hessenland zu sehen. Das Gebäude ist ein länglicher kastenförmiger Beton-Bau mit einer schmucklos-grauen Fassade im 50er-Jahre-Stil. Vor dem Hotel Straßenbahnschienen, hinter dem Gebäude blauer Himmel.

Hotel Hessenland, Außenansicht, Kassel, 2022, Foto: Nicolas Wefers

Das Hotel Hessenland wurde 1951 von Paul Bode, dem Bruder des documenta-Gründers Arnold Bode, für das innerstädtische Ruinengrundstück neben dem Hugenottenhaus entworfen. Hinter der schmucklos-grauen Fassade verbirgt sich ein denkmalgeschütztes Beispiel für die 1950er-Jahre-Architektur mit eleganter Lobby samt geschwungener Treppe und einem Ballsaal, der zu seinen Hochzeiten rund 800 Menschen Platz bot.

Der Saal wird schon seit den 1990er Jahren nicht mehr genutzt, das Hotel (samt einem original eingerichteten 50er-Jahre-Zimmer) stand rund ein Jahr leer, bis die documenta fifteen es zu neuem Leben erweckte: als Gästehaus für die Künstler*innen, der Ballsaal als Ausstellungsort für MADEYOULOOK.

Servicepunkte: Gastronomie, Toilette
Route zurück zum ruruHaus: Vom Hotel Hessenland laufen Sie rechts die Obere Königsstraße so lange geradeaus bis Sie das ruruHaus linker Hand sehen.

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