Chang En-Man lebt und arbeitet derzeit in Taipeh. Mithilfe von Bewegtbild, Fotografie und Installation sowie kreativen Formen sich selbst organisierender und kollektiver Projekte erforscht Chang En-Man, wie die Indigene Bevölkerung Taiwans mit den sich ständig verändernden soziokulturellen Gegebenheiten und Überlebensbedingungen im heutigen Taiwan vor dem Hintergrund von Modernisierung und Urbanisierung umgeht, wobei sie sich auf ihre eigenen Erfahrungen und ihr Erbe als Person Indigener Abstammung stützt. Von dieser Grundlage ausgehend und in dem Bestreben, die Welt als Ganzes zu erkunden und das transformative Potenzial der Kunst erlebbar zu machen, birgt Chang verlorene Geschichten und Erzählungen.
Bereits seit 2009 untersucht die Künstlerin anhand der Reiserouten afrikanischer Riesenschnecken den Zusammenhang zwischen der Geschichte des Imperialismus und der Modernisierung der Indigenen Bevölkerung Taiwans. Im Wok gebraten, sind diese Schnecken in Taiwan ein beliebter Snack zum Bier. Erst 1933 kamen sie auf Anordnung von Shimojō Kumaichi, einem Gesundheitspolitiker während der japanischen Besatzung (1895–1945), als Nahrungsmittel nach Taiwan. Auf invasive Art richteten die Schnecken verheerende Schäden in der dortigen Landwirtschaft an. Das Volk der Paiwan, von dem Chang mütterlicherseits abstammt, verwendet das Fleisch für Cinavu, das bei Festen gegessen wird. Der Schleim wird mit Blättern des Maulbeerbaums aus Papier entfernt. Die Maulbeerbäume, die als Symbol für die Indigene Bevölkerung gelten, zeichnen sozusagen die Reise der austronesischen Völker nach.
Für ihren ersten documenta fifteen Beitrag Floating System for Snails fertigt Chang das Haus und den Warteraum des Bootsverleih Ahoi aus bemaltem Glas in Form von Maulbeerblättern nach und lässt es auf der Fulda in See stechen. Im Bootshaus selbst geht es um Legenden, die von mündlichen Überlieferungen inspiriert sind. Der Warteraum enthält eine Archivausstellung, in der die Schneckensammlung untersucht wird. Zweitens verhandelt sie im Rahmen des Projekts Invasion Themen wie Kolonialgeschichte, Industrie und Wirtschaft sowie Esskulturen. In Zusammenarbeit mit ihren Forschungskolleg*innen Tsou Ting und Wang Han Fang hat Chang QR-Codes über alle Standorten der documenta verteilt, die eine Art Invasion darstellen.
Chang En-Man hat vielfach international ausgestellt, unter anderem Garden of Six Seasons, Para Site, Hongkong (2020), auf der Istanbul Biennale (2019), bei Cosmopolis #2: Repenser l’humain, Centre Pompidou, Paris (2019), auf der Singapore Biennale (2019), der Taiwan Biennial, Taichung (2018), As Heavy as a Feather, Taiwan Academy in Los Angeles (2017) / Centre A, Vancouver (2016), bei A Touch for the Now!, MONA Inner Spaces, Poznań (2016), These stories began before we arrived, Silo 6, Auckland (2015), unOfficial Pavilion of Taiwan’s video art, [.BOX] Videoart project space, Mailand (2015), auf der Taipei Biennial (2014), Snail Paradise mapping, Open Contemporary Art Center, Taipei (2013) und bei THAITAI: A Measure of Understanding, Bangkok Art and Culture Centre (2012).
Eingeladene Akteur*innen
Han Fang Wang
Shueh Ching Lu
Ting Tsou