Amol K Patil ist ein Konzept- und Performancekünstler, dessen Arbeiten in einem fortwährenden Prozess die pulsierenden und vibrierenden Klänge und Bewegungen der sogenannten Chawls freilegen, untersuchen und einfangen. Chawls sind fünfstöckige Häuser, die im frühen 20. Jahrhundert in Bombay, dem heutigen Mumbai, als Sozialwohnungen für Mühlen- und Fabrikarbeiter*innen gebaut wurden. Amol, ursprünglich bildender Künstler, arbeitet heute vor allem an der Schnittstelle zwischen Performancekunst, kinetischen Werken und Videoinstallationen.
Als er sich für Performancekunst zu interessieren begann, setzte Amol sich intensiv mit der Arbeit seines Vaters als Theateraktivist auseinander. Dabei stieß er auf ein altes Diktiergerät, einen Walkman und Kassetten mit Klängen und migrantischen Dialekten, die sein Vater für seine Avantgarde-Dramen über das Leben als Migrant in der Stadt aufgenommen hatte. Zudem entdeckte er handgeschriebene Lieder seines Großvaters, eines Dichters. Die Lieder stehen in der Tradition der Powadas, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Ähnlich wie Rapper*innen spucken die Interpret*innen der Powadas wütende Worte aus, die sich häufig gegen das Kastensystem richten.
Bei der documenta fifteen lädt Patil zur Zusammenarbeit über die Zeiten hinweg ein. Junge Powada-Autor*innen und -Musiker*innen, die Yalgaar Sanskrutik Manch, verweben ihre Texte mit denen seines Großvaters. „Es ist eine Art, das Jetzt zu denken, indem man das Harte und das Höfliche, das Süße und das Stille miteinander verbindet und eine Kritik an der Landpolitik und der sozialen Trennung übt“, erklärt Patil.
Er nimmt die Besucher*innen mit auf eine Reise durch die Stadt, wie er sie oft in seiner Kindheit unternommen hat. Ein Freund seines Vaters, Anil Tuebhekar, bewegte sich auf Rollschuhen durch die Viertel, mit einem Besen in der Hand und einem Radio an der Hüfte, er fegte die Straße. „Er reinigte die Stadt, aber er wusste, dass er im Bus oder im Hotel nicht willkommen war, wenn er ein Glas Wasser trinken wollte. Die Welt mit Musik auszusperren war sein individueller Protest.“
In Sweep Walkers (2022) bewegen sich dann auch Performer*innen auf Rollschuhen mit Reinigungsbürsten durch die Ausstellungsräume, aus Radiogeräten kommt Musik. Auf dem Hübner-Areal sieht man immersive Skulpturen, die den Reiserouten Patils Großvaters und vieler anderer nachgebildet sind; auch dazu spielt ein Radio, dessen Klangwellen den Untergrund durchdringen.
Patils Arbeiten waren zuletzt zu sehen auf der Yokohama Triennale (2020), im Goethe-Institut Mumbai (2019), im Goethe-Institut Neu-Delhi (2019), The Showroom, London (2018), in der Tensta konsthall, Stockholm (2017), im Centre Pompidou, Paris (2017), bei Habit-Co-Habit auf der Pune Biennale (2017), in der New Galerie, Paris (2016), auf der Dakar Biennale (2016), bei Myymälä2, Helsinki (2015), The Japan Foundation, Delhi (2015), und im Stedelijk Museum Amsterdam (2015).
Eingeladene Akteur*innen
Aji S Dharan
Ajith A S
Das Rollschuhmagazin
Kumar Misal
Kundan Shanbhag
Linojoe Raju
Parul Sinha
Poonam Jain
Rohit Varekar
Sachin Kondalkar
Sachin Pitale
Saviya Lopes
Vinit Dharia
YALGAAR Sanskrutik Manch,
India
Yogesh Barve