Nguyễn Trinh Thi ist eine in Hanoi lebende Filmemacherin und Künstlerin. In ihrer Arbeit, die die Grenzen zwischen Film und Videokunst, Installation und Performance verwischt, beschäftigt sie sich derzeit mit der Macht des Klangs und dem Hören sowie mit den vielschichtigen Beziehungen zwischen Bild, Ton und Raum. Immer wieder geht es dabei um Geschichte, Erinnerung, Repräsentation, Landschaft, Indigenität und Ökologie.
Nguyễn setzt Montagetechniken ein, um die verschiedenen visuellen Medien, derer sie sich bedient, zusammenzuführen: von eigenen Ton- und Bildaufnahmen über gefundenes Filmmaterial hin zu Postkarten, Fotografien, Wochenschauen, Hollywoodfilmen und ethnografischen Aufnahmen. In ihre aktuellen Arbeiten bezieht sie gern neue Komponenten ein, zum Beispiel organische Stoffe und Naturkräfte.
Auf der documenta fifteen präsentiert Nguyễn eine neue multimediale Installation. Darin spielt die Arbeit mit organischen Materialien und nicht-menschlichen Energien eine zentrale Rolle. Ihr Umgang mit Ton und Bild ist experimentell. Das Projekt ist inspiriert von Bùi Ngọc Tấns autobiografischem Roman Tale Told in the Year 2000, der im Jahr 2000 erschien, in Vietnam aber bis heute verboten ist. Der Roman schildert das Leben in den Internierungslagern des kommunistischen Nordvietnams in den 60er und 70er Jahren. Der Autor beschreibt auch die Wälder und die Ökosysteme mit ihrer Flora und Fauna – dort mussten er und andere Gefangene harte Arbeit verrichten.
Im Ausstellungsraum Rondell in Kassel (in dem sich historische Folterkammern befinden) stellt Nguyễn eine Szene aus dem Roman nach. Eine skulpturale Installation aus Chilipflanzen-Clustern wird so beleuchtet, dass in der Projektion ein immersiver Schattenwald an den Wänden des Raums erscheint. Zeitgleich ist in der Region Vinh Quang-Tam Da in Vietnam ein System installiert, das Töne und Bilder nach Kassel überträgt. Der Wind erzeugt Töne auf der Sáo-Ôi-Flöte, einem Musikinstrument, das verschiedene Gruppen aus den nördlichen Bergregionen spielen, darunter die ethnischen Minderheiten der Mường, Tày und Nùng.
Ihre Filme und Videoarbeiten wurden zuvor bereits auf Festivals und in Ausstellung gezeigt, unter anderem bei der 9. Asia Pacific Triennial of Contemporary Art, Brisbane (2018), der 21. Biennale of Sydney (2018), beim International Film Festival Rotterdam (2016), im Jeu de Paume, Paris (2015), im CAPC musée d’art contemporain de Bordeaux (2015), auf der der 13. Biennale de Lyon (2015), der Asian Art Biennial, Taichung (2015), der 5. Fukuoka Asian Art Triennale (2014), der 4. Singapore Biennale (2013), der 15. Jakarta Biennale (2013) und bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen (2011, 2012). 2009 gründete Nguyen Hanoi DOCLAB, ein unabhängiges Zentrum für Dokumentarfilm und Bewegtbild in Hanoi. 2015/16 war sie Fellow des Berliner Künstlerprogramms des DAAD.
Eingeladene Akteur*innen
Jamie Maxtone Graham
Lê Quang Minh
Lê Thuận Uyên
Nguyễn Xuân Sơn
Phạm Chí Khánh
Phạm Hoàng Gia Khang
Uông Thanh Ngọc