17.2.2021

documenta fifteen heißt fünf neue lumbung member willkommen

lumbung member, 2021, Foto: ruangrupa

Im Rahmen der documenta fifteen hat das Artistic Team Kollektive, Organisationen und Institutionen aus aller Welt dazu eingeladen, gemeinsam lumbung zu praktizieren. Bisher wurden neun lumbung member vorgestellt. Nach intensivem Austausch zwischen ihnen und dem Artistic Team sowie zahlreichen Gesprächen mit den teilnehmenden Organisationen stoßen nun fünf neue lumbung member dazu: Der Britto Arts Trust (Dhaka, Bangladesch), FAFSWAG (Auckland, Aotearoa), Instituto de Artivismo Hannah Arendt (INSTAR; Havanna, Kuba), Project Art Works (Hastings, UK) und Wajukuu Art Project (Nairobi, Kenia).

Jedes der mittlerweile vierzehn lumbung member wird verschiedene Ressourcen in die kollektive Reisscheune (lumbung) einbringen. Gemeinsam werden sie einen langfristigen Austausch entwickeln, der durch das Teilen von Zeit, Raum, Geld, Wissen, Fürsorge oder Kunst die jeweiligen lokalen Praxen und Communities ebenso stärkt wie das gesamte lumbung-Netzwerk – während der documenta fifteen und darüber hinaus. Das Arbeiten mit verschiedenen künstlerischen Herangehensweisen sowie das Lernen von anderen Modellen von Bildung, Ökologie oder Ökonomie und verwandten lumbung-Praktiken in verschiedenen Teilen der Welt spielen eine zentrale Rolle für das Verständnis von lumbung.

Britto Arts Trust (Dhaka, Bangladesch)

Britto Arts Trust (Britto) ist ein 2002 in Dhaka, Bangladesch, gegründetes gemeinnütziges Künstler*innenkollektiv, das von Dhaka aus an verschiedenen Orten im Land arbeitet und als Teil des Triangle-Netzwerks über eine globale Reichweite verfügt. Britto widmet sich in seiner künstlerischen Praxis dem sozio-politischen Umbruch in Bangladesch. Auf der Suche nach verlorener Geschichte, Kulturen und Gemeinschaften erforscht und sammelt das Kollektiv gemeinsam mit verschiedenen Partner*innen mannigfache Quellen. Durch die Akkumulation von Wissen und das Teilen eigener Gedanken und Ideen sowie der Produktion von Kunst im Austausch mit lokalen Communities versucht Britto fortwährend, Antworten auf den Wandel im eigenen Land zu finden.

Seit einigen Jahren konzentriert sich Britto auf langfristige, groß angelegte Projekte unter Einbeziehung von Communities und Teilnehmer*innen aus verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen. So befasst sich beispielsweise das im März 2020 – während der Pandemie gemeinsam mit einer Reihe von Künstler*innen und Kollektiven – initiierte Projekt ZERO WASTE-FoodArt mit sozialer Verantwortung an verschiedenen Orten in Bangladesch und darüber hinaus. Britto unterstützt zahlreiche interdisziplinäre Praktiker*innen, Gruppen und Netzwerke. Das Kollektiv bietet professionellen Kunstschaffenden ein lokales und internationales Forum für Treffen, Diskussionen, Experimente und die selbstbestimmte Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten. Als Antwort auf den Mangel an adäquaten Bildungseinrichtungen in Bangladesch wirkt Britto als alternative Bildungsplattform, die Künstler*innen ein experimentelleres Arbeiten ermöglicht. Ausgehend von der Beschäftigung mit Verwurzelung, Geschichte und Communities reicht Brittos Praxis bis hin zu internationalen Veranstaltungen wie der Organisation des ersten Bangladescher Pavillons bei der 54. Biennale di Venezia (2011).

https://brittoartstrust.org/

FAFSWAG (Auckland, Aotearoa)

FAFSWAG ist ein ozeanisches Moana-Künstler*innenkollektiv, das durch Kunst und Innovation sozialen Wandel anstoßen möchte. Dabei entwickelt es fortschrittliche, kultursensible und sozial relevante Methoden kultureller Aktivierung.

Ausgehend von ihrem Kontext als Queere, Indigene Kunstschaffende arbeiten die Künstler*innen von FAFSWAG über verschiedenste interdisziplinäre Kunstformen und Genres hinweg kollaborativ daran, öffentlichen und digitalen Raum zu aktivieren.

https://fafswagvogue.com

Instituto de Artivismo Hannah Arendt (Havanna, Kuba)

Das Instituto de Artivismo Hannah Arendt (INSTAR) gründete sich am 20. Mai 2015 als Institution für gesellschaftspolitische Alphabetisierung aus einer Intervention der kubanischen Artivistin Tania Bruguera heraus, deren Teilnehmer*innen 100 Stunden lang das Buch Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft von Hannah Arendt lasen und diskutierten.

INSTAR wurde als demokratischer, horizontaler, konsensorientierter Raum konzipiert. „Wir fordern soziale Gerechtigkeit und Rechte, an denen es in Kuba bisher mangelt, wie faire Löhne, Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf, Unterstützung unabhängiger Projekte und Künstler*innen, Achtung der Meinungsfreiheit, Erhalt des historischen Gedächtnisses von Kunst sowie eine unabhängige Zivilgesellschaft, und wollen ein Projekt aufbauen mit Menschen, die anders denken, aber ein Land für alle schaffen wollen“, so INSTAR über ihr Selbstverständnis und ihre Praxis. INSTAR ist ein Safe Space, der andere Organisationen, Aktivist*innen und Künstler*innen schützt und verbindet und funktioniert wie ein Organ, das atmet, fühlt, reagiert und erinnert. Die Arbeit und Mission von INSTAR kann in drei Schritte unterteilt werden, die es, ausgehend von verschiedenen künstlerischen Ausdrücken, erlauben, aus einer chaotischen Vision eine Begegnung mit einer unerwarteten Ordnung entstehen zu lassen – einer neuen Ordnung, aus der heraus eine neue Zukunft gedacht werden kann.

Schritt I: Workshops zur Stärkung der Fähigkeiten von Künstler*innen, Intellektuellen, Akademiker*innen, der Bürgerschaft, der Jugend und aktivistischen Gruppen.

Schritt II: Finanzielle Unterstützung von Gründer*innen, Zusammenschlüssen und unabhängigen Projekten durch Preise und Stipendien. Sichtbarkeit, bedingt durch das neuartige Coronavirus, in INSTARs sozialen Netzwerken. Position beziehen gegen die Erlässe 349, 373 und 370, mit denen der kubanische Staat Meinungsfreiheit und kreative Unabhängigkeit einschränkt.

Schritt III: Rekonstruktion von Geistes- und Kunstgeschichte und Geschichte des unabhängigen Aktivismus durch die Sicherung von Quellen, die der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden sollen.

https://artivismo.org/

Project Art Works (Hastings, Vereinigtes Königreich)

Project Art Works ist ein britisches Kollektiv von Künstler*innen und Produzent*innen, das von radikalen Zugängen zu Neurodiversität, Rechten und Repräsentationen ausgehende Kunst produziert und vermittelt. Ihr Programm entwickelt sich aus der Unterstützung von Künstler*innen in ihrer Studiopraxis heraus und verzweigt sich zu Kollaborationen, Ausstellungen, Auftragsarbeiten, Filmen, Publikationen und digitalem Output. Für jedes Projekt werden personalisierte und holistische Umgebungen geschaffen. Das Studio wird dabei als Ort mit flachen Hierarchien verstanden, an dem Veranstaltungen und Happenings entstehen, die von der Lebensrealität und dem kreativen Potential aller Beteiligten erzählen (https://vimeo.com/161897285).

Project Art Works untersucht und fördert kreative und nachhaltige Modelle von künstlerischer Entfaltung und Betreuung durch praxisbasierte Forschung, Produktionen und Partnerschaften. Neurodiverse Künstler*innen und Produzent*innen arbeiten zielgerichtet zusammen und nutzen dabei verschiedenste Kommunikationsformen wie Sprache, Gestik, Klang, Gebärden und Empathie. Künstlerische Arbeiten werden über Social Media, digitale Plattformen sowie nationale und internationale Kollaborationen verbreitet. Durch die zielgerichtete Planung, kostenlose Schulungen und Interessensvertretung erhalten Familien und Care-Arbeiter*innen die Möglichkeit, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zu nutzen, um sich im Gesundheits- und Pflegewesen besser zurechtzufinden und Zugang zu individuellen Pflegemodellen zu erhalten, die ihr Leben verbessern.

https://projectartworks.org

Wajukuu Art Project (Nairobi, Kenia)

Das Wajukuu Art Project (Wajukuu) ist eine gemeinschaftliche Organisation aus Lunga-Lunga, einem Teil des Mukuru-Slums im kenianischen Nairobi. Eine Gruppe von Künstler*innen initiierte das Projekt 2004 mit dem gemeinsamen Ziel, Mukuru zu einem Ort zu machen, an dem Kinder sich entfalten können, und durch die Produktion und den Verkauf von qualitativ hochwertiger Kunst Arbeitsplätze zu schaffen.

Der Mukuru-Slum befindet sich an einem Abhang unterhalb der Fabriken des Industriegebiets Nairobis. Eine nahegelegene Mülldeponie zieht die Jugendlichen aus dem Slum an. Da sie in den Fabriken, die ihr Viertel verseuchen, kaum Arbeit finden, bildet das Durchkämmen des Abfalls nach verkäuflichen Gegenständen ihre einzige Lebensgrundlage. Viele treibt die Armut in Kriminalität und Drogenhandel. Gewalt und sexueller Missbrauch sind allgegenwärtig und gefährden die Gesundheit und häufig auch das Leben ihrer jungen Opfer. Das vor diesem Hintergrund entstandene Wajukuu Art Project erzählt von Widerstandsfähigkeit und der menschlichen Fähigkeit, Leid in Schönheit zu verwandeln.

„Kunst bildet das Rückgrat von Wajukuu. Für uns ist Kunst nicht nur eine Praxis, sondern eine Lebenseinstellung. Mit Hilfe von Kunstunterricht empowert Wajukuu Kinder und Jugendliche, sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen, Herausforderungen zu Hause und in der Community zu bewältigen, sich gegen widerfahrenes Unrecht zu wehren und sich eine andere Zukunft vorzustellen. Unsere öffentliche Bibliothek, die erste Mukurus, bietet Schüler*innen und Erwachsenen einen Safe Space zum Lernen. Mit Filmvorführungen und Wandmalerei sprechen wir verschiedenste Themen an, unter anderem Konfliktlösung, Verbrechensprävention, kulturelle Praxis, Gleichberechtigung, Gesundheit, Teenagerschwangerschaft und verantwortungsvolles Handeln. Auf diese Weise schaffen wir eine Plattform, die es der Community erlaubt, über Dinge mitzubestimmen, die sie betreffen“, so Wajukuu Art Project über ihre Arbeit.

https://wajukuuarts.wordpress.com/

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