24.6.2022

Statement von Taring Padi zum Abbau des Banners „People’s Justice“

Wir bedauern zutiefst, in welchem Ausmaß die Bildsprache unserer Arbeit People’s Justice so viele Menschen beleidigt hat. Wir entschuldigen uns bei allen Zuschauer*innen und Mitarbeiter*innen der documenta fifteen, der Öffentlichkeit in Deutschland und insbesondere der jüdischen Gemeinde. Wir haben aus unserem Fehler gelernt und erkennen jetzt, dass unsere Bildsprache im historischen Kontext Deutschlands eine spezifische Bedeutung bekommen hat. Daher haben wir das Banner zusammen mit der documenta fifteen entfernt.

Als Kollektiv von Künstler*innen, die Rassismus jeglicher Art verurteilen, sind wir schockiert und traurig über die mediale Berichterstattung, die uns als antisemitisch bezeichnet. Mit Nachdruck möchten wir unseren Respekt für alle Menschen bekräftigen, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Race, Religion, Gender oder ihrer Sexualität. Zum besseren Verständnis unserer Bildsprache wollen wir auf den inhaltlichen Bezug zur indonesischen Geschichte und Entstehung unseres Kunstwerks eingehen.

Das acht mal zwölf Meter große Banner People’s Justice wurde 2002 in Yogyakarta, Indonesien, von zahlreichen Mitgliedern unseres Kollektivs gemeinsam erstellt. Das Bild entstand vor dem Hintergrund der schwierigen Lebensbedingungen, die wir unter einer Militärdiktatur erfahren hatten, in der Gewalt, Ausbeutung und Zensur an der Tagesordnung waren. Wie viele unsere Kunstwerke versucht das Banner, die komplexen Machtverhältnisse aufzudecken, die hinter diesen Ungerechtigkeiten stehen. Insbesondere geht es um den Massenmord an mehr als 500.000 Menschen in Indonesien im Jahr 1965, der bis heute nicht aufgearbeitet wurde.

In der Zeit des Kalten Krieges, nach dem antikommunistischen Krieg in Korea und während des Krieges in Vietnam, wurde der Staatsstreich Suhartos und die anschließende Einsetzung seines Regimes von vielen Ländern unterstützt. Verschiedene westliche Demokratien, darunter unser ehemaliger Kolonialherr, bevorzugten – offen oder heimlich – ein Militärregime statt einer jungen demokratischen Republik, die enge Beziehungen zu anderen sozialistischen und kommunistischen Ländern in der Region aufgebaut hatte. Die CIA und andere Geheimdienste lieferten angeblich Waffen und Informationen.

Das Banner People’s Justice inszeniert diese inneren und äußeren Machtverhältnisse in einer bildhaften Szene und versucht, die komplexen historischen Umstände durch eine Bildsprache einzufangen, die ebenso verstörend ist wie die Realität der Gewalt selbst. Es ist wahr, dass die Form der Darstellung aus Enttäuschung, Frustration und Wut politisierter Kunststudent*innen stammt, die kurz zuvor viele ihrer Freunde in den Straßenkämpfen von 1998 verloren hatten – einem Aufstand, der schließlich zum Rücktritt des Diktators führte.

Die von uns verwendete Bildsprache ist jedoch nie aus Hass gegen eine bestimmte ethnische oder religiöse Gruppe entstanden, sondern als Kritik an Militarismus und staatlicher Gewalt gedacht. Wir bedauern, dass wir eine mögliche Beteiligung der Regierung des Staates Israel so völlig unangemessen dargestellt haben – und entschuldigen uns aufrichtig dafür. Antisemitismus hat weder in unseren Gefühlen noch in unseren Gedanken einen Platz.

Wir sind zur documenta fifteen gekommen, um die globalen Bemühungen zu unterstützen, sich mit dem kolonialen Erbe auseinanderzusetzen. Wir begrüßen den Mut der documenta fifteen und die Vision von ruangrupa, dieses Erbe zu hinterfragen, das zu staatlich unterstütztem Autoritarismus und Gewalt geführt hat. Wir sind überzeugt, dass ein offener und ehrlicher Dialog der beste Ansatz ist, um Lösungen zu finden und gemeinsam zu handeln. In den letzten Tagen kamen viele Besucher*innen in unsere Ausstellung im Hallenbad Ost, um unsere Kunstwerke zu sehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Viele von ihnen haben sich die Zeit genommen, mit uns zu sprechen und sowohl ihre Wertschätzung als auch ihre Kritik zu übermitteln, und wir hoffen, dass dies so bleibt.

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