Am 15. Dezember 2020 stellt die documenta fifteen (18. Juni bis 25. September 2022) ihr visuelles Erscheinungsbild der Öffentlichkeit vor. Das gemeinsam mit Studierenden entwickelte Design ist inspiriert vom lumbung-Konzept der documenta. Das aus dem Gestaltungsentwurf des Studierendenkollektivs Studio 4oo2 aus Jakarta gemeinsam weiterentwickelte Erscheinungsbild der documenta fifteen verweist mit dem Symbol der Hände auf das lumbung-Prinzip, das ruangrupa seiner documenta zugrunde gelegt hat, und dessen Kernthemen kollektive Praktiken des Teilens, Solidarität und Freundschaft sind.
lumbung ist eine aus den ländlichen Gebieten Indonesiens stammende Praxis, bei der die überschüssige Ernte zum zukünftigen Wohl der Gemeinschft in einer gemeinsamen Reisscheune gelagert und nach kollektiv bestimmten Mechanismen verteilt wird. Indem die documenta fifteen lumbung nicht nur als Thema, sondern vielmehr als zugrundeliegende Praxis begreift, zielt sie auf neue Wege, internationale künstlerische Praktiken mit einem gemeinschaftlich ausgerichteten Modell der Ressourcennutzung – ökonomisch, aber auch im Hinblick auf Ideen, Wissen, Programme und Innovationen – nachhaltig zu machen. Grundsätze wie Kollektivität und gemeinschaftliches Arbeiten, Ressourcenaufbau und gerechte Verteilung stehen dabei im Vordergrund.
Die Hände und die in ihren Umrissen visualisierten Seile als Kernelement des visuellen Erscheinungsbildes der documenta fifteen stehen für eine unbegrenzte Gemeinschaft, die eine nachhaltige Zukunftsstrategie eröffnet. Sie versinnbildlichen die Haltung und Geste von lumbung. Die Farbpalette des Designs ist von natürlichen Textilfarben inspiriert, wie sie seit Generationen bei der Herstellung traditioneller textiler Produkte in Indonesiens verwendet werden. Die eingesetzten Farben stammen größtenteils aus dem Osten Indonesiens, wo lumbung noch heute aktiv praktiziert wird.
Kollektive Entwicklung mit Studierenden
ruangrupa selbst ist Mitte der 1990er Jahre aus Netzwerken von Studierenden an den Kunsthochschulen in Jakarta und Yogyakarta hervorgegangen. Für das Künstler*innen-Kollektiv ist Vielstimmigkeit und die Integration von Perspektiven der jüngeren Generation zentral. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen hat ruangrupa Ende 2019 Studierende in Kassel und Jakarta eingeladen, sich an der Entwicklung der visuellen Identität der documenta fifteen zu beteiligen, statt nur auf etablierte Design-Agenturen zu setzen. Unter mehr als 20 Einreichungen von Gruppen und Einzelpersonen wurden zwei Designentwürfe ausgewählt: die von Studio 4oo2 aus Jakarta und von kmmn_practice aus Kassel. Die beiden Teams haben völlig unterschiedliche Konzepte eingereicht, wobei sie ermutigt wurden, jeweils ihren eigenen Ansatz zu verfolgen.
Im Prozess wurde Studio 4oo2 das Haupterscheinungsbild der documenta fifteen übertragen, während kmmn_practice die Chance erhielt, ihren partizipatorischen Ansatz für ein Erscheinungsbild des ruruHaus umzusetzen. Im Frühsommer 2020 haben die Studierenden von Studio 4oo2 mit der Berliner Markenagentur Stan Hema und documenta Inhouse-Designer Leon Schniewind die gemeinschaftliche Arbeit aufgenommen.
Präsentation im Filmclip und im Öffentlichen Raum
Die documenta fifteen präsentiert das Erscheinungsbild anhand eines Filmclips und im öffentlichen Raum Kassels. Unter anderem wird es am ruruHaus, dem ersten Spielort der documenta fifteen sichtbar: Dort wurde es in Form eines großflächigen Murals vom Kasseler Graffiti- und Streetart-Projekt KolorCubes auf die Fassade aufgebracht. Weitere Präsenzen auf Großflächen oder Litfasssäulen sind im Stadtraum zu finden. Im Detail wird das Erscheinungsbild und dessen Entwicklung in diesem Video vorgestellt.
Am heutigen Dienstag, den 15. Dezember 2020 findet um 15 Uhr ein Fototermin mit Vertreter*innen von ruangrupa, Oberbürgermeister Christian Geselle, der Generaldirektorin der documenta und Museum Fridericianum gGmbH, Dr. Sabine Schormann und dem Kommunikationsteam der documenta fifteen vor der documenta Halle statt. Es handelt sich um einen reinen Fototermin unter Berücksichtigung der Hygiene- und Abstandsregelungen.
Wir bitten um Voranmeldung unter presse@documenta.de.
Der Aufsichtsratsvorsitzende der documenta und Museum Fridericianum gGmbH, Oberbürgermeister Christian Geselle, zeigt sich erfreut über das neue Erscheinungsbild: „Nun nimmt die documenta fifteen Gestalt an. Viele ineinandergreifende Hände stehen für Zusammenhalt und ein neues Miteinander. Die großartige Umsetzung des Erscheinungsbildes in ein Mural am ruruHaus ist ein deutlicher Gruß des Kuratorenteams ruangrupa an die Stadt. Es ist eine farbenfrohe und vor allem optimistisch in die Zukunft weisende Botschaft am Ende eines für alle kräftezehrenden Jahres. Und die Vorfreude auf die nächste, mit Spannung erwartete documenta wächst.“
Studio 4oo2 über das Erscheinungsbild
„Das Konzept von lumbung wird in unserem Gestaltungsentwurf durch die Form der Hand visualisiert, einem fühlenden Teil unseres Körpers, der bei menschlichen Aktivitäten wie Halten, Geben oder Umarmen eingesetzt wird. Die Hand spielt, direkt oder auch indirekt, eine wesentliche Rolle in interaktiven Prozessen zwischen Menschen. Als Symbol ist sie unmittelbar mit dem Konzept von lumbung verbunden, einem kollektiven Aufbewahrungsort für die von einer Gemeinschaft produzierte Ernte. Diese Aktivitäten – Ernten, Zusammenhalten, nachhaltig Unterstützen – setzen allesamt die Beteiligung von Händen voraus, genauso wie der Zweck von lumbung auf die Hand referiert, die die Menschen verbindet.“, so Studio 4oo2.
Studio 4oo2 ist ein Team von vier Studierenden der Universitas Negeri Jakarta. Der Name „Studio 4oo2“ (gesprochen: „four o o two“) ist von dem Betrag abgleitet, den die Studierenden für Parkscheine (4.000 Rupiahs für zwei Motorräder) in dem Fast-Food-Restaurant aufwenden mussten, den das Team als Arbeitsplatz für die Entwicklung der Bewerbung genutzt hat, da das Lokal der einzige 24 Stunden zugängliche Ort für sie war. Das Team besteht aus Angga Reksha Ramadhan, Larasati Fildzah Kinanti, Louisiana Wattimena und Rosyid Mahfuzh.